Warum Teletext auch 2011 nicht totzukriegen ist…
Dienstag, 15. Februar 2011 (von fabian)Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, wie absurd die schiere Existenz von Teletext heutzutage ist?
Ursprünglich als Erweiterung des Fernsehsignals um Zusatzinformationen gedacht und in „sowieso nicht genutzten“ Stellen des Videosignals übertragen (nämlich in der vertikalen Austastlücke, auch VBI genannt), gibt es heute in der gesamten Signalkette zwischen der Person, die den Teletext redaktionell und technisch erstellt und derjenigen, die sie zu Hause am Fernseher konsumiert, praktisch keine Stelle mehr, an der er wirklich in der vertikalen Austastlücke irgendeines Videosignals (und somit quasi „nebenher“, ohne zusätzlichen Aufwand) transportiert würde!
Ja! (Keine Angst, es folgt jetzt kein grundsätzliches Plädoyer gegen Teletext oder so…)
In den Sendeanstalten ist es seit der Umstellung auf HDTV und damit der flächendeckenden Verwendung sogenannter HD-SDI-Signale im Funkhaus gar nicht mehr (standardkonform) möglich, Teletextsignale oder überhaupt „Datenzeilen“ im klassischen Sinne in das Videosignal zu insertieren, schlicht weil es dafür keinen Standard gibt. Nicht, dass es nicht möglich wäre („Bits übrig“ sind massig im HD-SDI-Signal und für alle möglichen Arten von Timecode, Ton, Beschreibung des Bildformates etc. gibt’s auch Standards, wo im Signal man die nun unterzubringen habe – nur für klassische SD-VBI-Daten noch nicht). Also wird in den Sendern der Teletext per Netzwerk (jawohl!) übertragen, oder, noch schlimmer: alleine für diesen Zweck existiert ganz einfach noch eine analoge SD-Videostrippe die „nebenher“ läuft und nur die Zeilen der Austastlücke quasi „zum Sendemast“ transportiert. Da gehts dann nämlich erst richtig los:
Auf dem digitalen Übertragungsweg (DVB-S/S2, DVB-T/T2, DVB-C/C2) gibt es nämlich schon lange vor HDTV, seit mindestens 10 Jahren, keine vertikale Austastlücke mehr. Stattdessen müssen die Daten, die dort zu analogen Zeiten übertragen worden wären, umständlich in digitale Datenpakete „umverpackt“ und als extra Datenstrom mit eigener „PID“ (Program ID) gesendet werden.
Und schlussendlich gibt es, seit sich HDMI als Verbindung zwischen Receiver und Fernseher gegenüber SCART durchgesetzt hat, auch gar keine Möglichkeit mehr, die Teletextdaten an den Fernseher zu übertragen, schlicht weil es in HDMI ebenfalls keine „Austastlücke“ mehr gibt!
Sprich: Der Receiver selbst muss den Teletext dekodieren und quasi „als Bild“ anzeigen, was dann auf dem Fernseher sichtbar wird.
An der ganzen Kette ist also praktisch nichts mehr so wie früher, es ist ein wildes Hin- und Her-Ge-„wrappe“ von Datenströmen, um immer der jeweils nächsten „Schicht“ die „alten Verhältnisse“ vorgaukeln zu können (JA, klar: es ist möglich – und viele Receiver machen das auch – , aus dem ganzen Teletext-Strom wiederum – ja, jetzt wird’s traurig – analoge Daten-Videozeilen zu generieren, die dann am SCART-Ausgang wieder in die Austastlücke eingetastet werden). Damit Omas Röhrenfernseher mit Teletextdekoder alles so vorfindet, wie vor 30 Jahren…). OK, ganz so dumm ist die Sache mit der Kompatibilität ja auch gar nicht – wird ja auch anderswo gemacht, schließlich ist so ein Videosignal auch heute noch zu Schwarz-Weiß-Fernsehern kompatibel…
Auf der anderen Seite hatten es Nachfolgeangebote wie MHP, DigiText, intercast, Zap2Web und wie sie alle hießen, nie eine Chance sich durchzusetzen. Und das, obwohl sie grafisch und technisch viel ansprechender sind, als der Teletext, den damals die BBC im Jahre 1976 erfunden hat und der heute ja im Prinzip noch genau so aussieht.
Ich frage mich: Warum? Auch so, wie es jetzt ist, ist eigentlich nichts mehr „wie es war“ und über all die Jahre wurde mannigfaltig neuimplementiert (z.B. Routinen, um aus analogen Teletextzeilen die Daten für die DVB-PID zu machen; Routinen, um das ganze wieder aus einem DVB-Multiplex rauszuextrahieren, zu dekodieren und als Bild zu „zeichnen“, damit man es am ultramodernen Flachbildfernseher über HDMI auch ansehen kann).
Keine Angst, das hier soll – immer noch – kein Plädoyer gegen den guten (?) alten (!) Teletext sein, er hat sicher seine Berechtigung, zumindest gehabt. Dennoch: wir haben heute überall und immer Internetzugang. Wäre es nicht sinnvoller, auf das ganze Teletext-Geraffel ein für alle mal zu verzichten, spätestens jetzt, wo fast alle neuen Fernseher sowieso einen LAN-Anschluss haben?
Oder, wenn man denn unbedingt mit dem Fernsehsignal Zusatzdaten übertragen will: Doch mal umzustellen auf was HTML-basiertes an Stelle des antiquierten 40-Zeichen-24-Zeilen-Bildschirmtext-Standards (CEPT)? Wenn ja doch – ich wiederhole mich wieder – sowieso an keiner Stelle der Signalkette mehr der Teletext so übertragen wird wie früher, also im Videosignal „inhärent“ und ohne dabei Aufwand zu verursachen?
Stattdessen dieser Tage extra LAN-Infrastrukturen in den Sendern geschaffen werden müssen, nur um die paar Bits/s zum Sendemast transportieren zu können…
Es kostet den Gebührenzahler eigentlich „unnötig“ Geld, wenn die Anstalten – nur für diesen Service! – beim HD-Umstieg ganzer Sendeabwicklungen allerlei technische Klimmzüge machen müssen, nur um auch im Jahre 2011 noch Klötzchengrafik in die Wohnzimmer bringen zu können! (Ich mag sie trotzdem, die alte Klötzchengrafik, ja…)
Wie auch immer, ich schätze wohl, dass jegliche Elaboration gegen Teletext (was das hier wirklich nicht sein soll!) bei eingefleischten Teletext-Fans ohnehin auf Granit stoßen wird: Die würden auch wenn nur für Teletext eine DSL-Leitung zusätzlich zum HD-Sat-Receiver ins Haus gelegt werden müsste, nicht drauf verzichten wollen. Und dann den Web-Teletext auf www.tagesschau.de oder www.zdf.de aufrufen…
Daher: keine Sorge, den Teletext wirds wohl (zum Glück oder leider?) auch in 10 Jahren noch geben. Mindestens.
[Update: Für alle, die auch die Bits & Bytes „hinter“ Teletext verstehen möchten, habe ich ein paar Details zu den technischen Hintergründen von Teletext zusammengetragen, und zwar im Artikel „Teletext wirklich verstehen“, der ab sofort im Bereich „Texte“ zu finden ist.]
5 Antworten auf “Warum Teletext auch 2011 nicht totzukriegen ist…”
Von Teletexterer am Mittwoch, 16. Februar 2011 | Antworten
Tja,
ich kann deine Argumentation durchaus verstehen. Trotzdem mag ich den Videotext und will mal ein paar Beispiele anführen:
Momentan bin ich noch (wie viele andere) am analogen Kabelnetz mit einer alten Röhrenglotze angeschlossen. Wenn ich jetzt beim Durchzappen wissen will was da gerade läuft oder wann die Sendung angefangen hat, ist diese Information nur einen Zentimeter und einen Daumendruck entfernt, auf der Startseite des Teletexts. Ein digitaler Receiver liefert mir das natürlich schon beim Umschalten direkt, aber noch gibt es das analoge Fernsehen.
Nun werden ich bald umziehen und mein neuer Flachbildfernseher kommt mit DVB/S2 zum Einsatz. Trotzdem wird der Videotext noch hin- und wieder gebraucht werden. Sei es für Fußballergebnisse (wenn das iPhone grade in der Küche liegt) oder für die Lottozahlen.
Klar gibt es Apps on TV, aber jeder der sowas schonmal benutzt hat, weiß, dass da noch viel Entwicklungsarbeit drinsteckt. Zusätzlich kocht da jeder Hersteller sein eigenes Süppchen.
Und:
Ich muss den Fernseher ans Netz bringen. Das heißt in sehr vielen Fällen entweder Kabel ziehen oder einen zusätzlichen (teuren) WLAN-Stick kaufen.
(Deshalb: Pro Zusatzinformationen über das Fernsehsignal und nicht via DSL!)
Ein weiteres wichtiges Argument ist die Usability:
Ja, Teletext ist langsam (aber dazu gleich mehr).
Ja, Teletext sieht scheiße aus.
Ja, Teletext ist sendergebunden.
Aber:
Der Umgang mit dem Medium wurde über Generationen eingeübt. Jeder kennt die Seiten mit den von ihm häufig abgerufenen Informationen auswendig (303 – Abendprogramm, 200 – Sport, Lottozahlen, Wetter, Horoskop, blablabla).
Diese Informationen kann ich mit minimalstem Aufwand abrufen. (Die Fernbedienung habe ich sehr häufig schon in der Hand oder sie ist in unmittelbarer Reichweite; dann Teletext aufrufen und Nummer eintippen –> 4 Tasten). Und um zur Geschwindigkeit zurückzukommen: Selbst wenn das iPhone auf dem Tisch liegt, bin ich in diesen Fällen mit dem Teletext schneller! (beim iPhone: Browser oder App starten, Suchbegriff tippen oder Menüpunkte auswählen…).
Erst wenn etwas HTML-basiertes Ähnliches leisten kann, hat es eine Chance.
Und daher, ja, Teletext wird überleben :D
Von fabian am Mittwoch, 16. Februar 2011 | Antworten
Hi :)
Klar wird er überleben!
Zum Thema analoges Kabel und Röhrenglotze: Was glaubst du, warum du da noch Teletext kriegst?
Weil in den Kabelkopfstationen bei der Post (äh, ich meine natürlich „Kabel Deutschland GmbH“) Equipment steht, das das digitale DVB-Signal vom Satellit abgreift, die Teletext-PID extrahiert, dekodiert, daraus wiederum die guten alten flimmernden Zeilen aus hellen und dunklen Punkten macht und in die Austastlücke des analoggewandelten Signals eintastet, bevor das ganze dann UHF-moduliert und aufs Postkabel (bzw. Kabel Deutschland etc…) geht.
Der Effekt ist der gleiche wie vor 15 Jahren, nur hat sich der technische Aufwand für den GLEICHEN, antiken Textsalat, ungefähr verfünffacht!
Früher, als das ganze analog war, musste man nichts weiter tun um Teletext mit ins analoge Kabel zu schaffen, weil er schlicht direkt im Videosignal, das man analog vom Astra holte, drin war…
Dass er immer noch Usability-Vorteile hat, ist klar (daher bin ich ja auch gar nicht gegen TTX an sich), ich meinte mit meinem Text ja nur, dass er technologisch heutzutage auf geradezu absurde Weise zur Verfügung gestellt wird…
Viele Grüße,
Fabian
Von toma am Sonntag, 03. April 2011 | Antworten
Viel Aufwand! Krass!
Von Basic.Master am Dienstag, 25. Oktober 2011 | Antworten
Der Aufwand ist ja wirklich interessant. Hätte nicht gedacht, dass da aktuell so ein Aufwand im Hintergrund ist. Bin aber froh dass er betrieben wird. Ist sicherlich immer noch günstiger, als die vielen ARD-Sender auf Astra Analog senden zu lassen.
Die Usability vom Videotext ist meines Erachtens ziemlich gut, bis auf die altertümliche Grafik. Nur wenn dann man mit HTML oder Schriftarten etc. anfängt, hat man nicht mehr auf jedem TV dieselbe Darstellung, zu lange Zeilen etc. (zugegeben, die Zeichensätze weichen aktuell auch ab, aber die Zeichen haben eine fixe Größe, so dass es egal ist). Wie schon der Kommentator weiter oben beschrieben hat: Der User weiß, was ihn erwartet und wo er etwas findet. Ich denke gerade die Möglichkeit, die Nachrichten kurz und prägnant zu lesen, wegen der Platzbeschränkung, hat auch einen Reiz. Ich gucke morgens gern mal schnell in den Videotext für die Nachrichten, auch wenn ich im Internet auf tagesschau.de gehen könnte. Es ist einfach effizienter, und auch ohne grafischen Schnickschnack.
Und gerade dass der Videotext kein Internet braucht, ist in meinen Augen ein Vorteil! Meiner Meinung nach ist es ein Fehler dass HbbTV nur einen Verweis auf Onlineseiten enthält. So muss man immer noch zusätzlich einen Internetanschluss haben. Den hat man ja normalerweise, aber wenn man irgendwo oben auf dem Berg sitzt und seinen Fernseher hat, wird man damit nicht glücklich. Oder vor allem, wenn man unterwegs fernsehguckt per DVB-T.